„Was siehst Du das Streichholz in Deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge siehst Du nicht?“ Fast wörtlich zitiert ist das einer der weisen Sprüche der Bibel:
Wenn wir an den anderen etwas auszusetzen finden, kann das eine Erleichterung sein: Denn wir müssen uns dann nicht mehr mit den eigenen Schwächen beschäftigen…
Ich plädiere für eine Sichtweise, die darüber hinaus geht:
Nächstenliebe.
„Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“
Es bedeutet, zu wissen, dass wir alle manchmal Nachsicht üben müssen. Und dass wir alle manchmal Nachsicht brauchen.
PISA ist zu weit gegriffen. Sie versucht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Weltweit. Über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg. Vergleiche innerhalb Deutschlands sind da schon vielversprechender. Aber es ist immer auch wichtig, das Ganze zu sehen:
Eine Pandemie, die uns alle und Lehrer und Schüler, fast 5 Jahre hindurch eingeschränkt hat; während Angst und Schrecken verbreitet wurden. Schulen geschlossen – und für viele erstmals ‚Fernunterricht‘ an digitalen Geräten stattfand:
Das steckt keine Kultur so einfach weg.
Im Laufe eines bewegten Lebens unter internationalen Forschern an einer Exzellenzuniversität, an vielen Instituten naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen tätig, zur Finanzierung meines eigenen Studiums, weiß ich aber auch:
Wir stehen trotz allem sehr gut da!
Gerade, weil wir gründlich sind, genau – und nicht zuerst auf Repräsentation und den schönen Schein konzentriert.
Sondern auf die Wahrheit, die echten Zahlen. Das kann auch schmerzhaft sein.
Aber, wenn die echten Probleme erkannt wurden, braucht es Investitionen, die auf dem Weg sein sollten – und Mut und Stehvermögen. Die Kraft, dran zu bleiben und mit Freude und positiven Bildern in die Zukunft zu schauen:
Dran bleiben – Pausen nicht vergessen!
Image by StartupStockPhotos from Pixabay, freie Lizenz
Kleine Kinder – Erwachsene – Menschen: Lehrer, Anwälte und Ärzte sind ein wenig ähnlich in ihrer Wirkung, das ist tatsächlich untersucht: Das Urteil eines Arztes, einer Lehrerin oder eines Lehrers kann schwer wiegen.
Je nach Hintergrund, mit dem wir aufwachsen. Das ist Kästners Grundidee, hier: Zu zeigen, Schule ist ein wichtiger Teil unseres Lebens – aber wir können Glück haben und Lehrer und Lehrerinnen erleben, die uns inspirieren, Mut machen – und erfüllt zurück lassen. Statt ’nur gefüllt‘.
Nach François Rabelais:
Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein
Feuer, das entfacht werden will.
Erich Kästner: Geliebt und bewundert, seit ich das erste mal eines seiner Bücher las, den „Emil…“
Erich Kästner ist nicht nur einer der meistgelesenen Kinder- und Jugendbuchautoren, preisgekrönt, seine Kinder- und Jugendbücher wurden und werden auch zum Deutschunterricht im Ausland genutzt.
So wunderbar vergnügliche Bücher, wie „Emil und die Detektive“, „Das doppelte Lottchen“, „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Der kleine Mann“ sind von ihm.
Sowohl Satire als auch heitere Romane für Erwachsene schienen eine Naturbegabung.
Diese kleine Ansprache an Schulanfänger enthält eines meiner Lieblingszitate:
„Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab
wie einen alten Hut. […] Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“
Erich Kästner, ca. 1930, Photo Grete Kolliner, Public domain, via Wikimedia Commons
da sitzt ihr nun, alphabetisch oder nach der Größe sortiert, zum erstenmal auf diesen harten Bänken, und hoffentlich liegt es nur an der Jahreszeit, wenn ihr mich an braune und blonde, zum Dörren aufgefädelte Steinpilze erinnert. Statt an Glückspilze, wie sich’s eigentlich gehörte. Manche von euch rutschen unruhig hin und her, als säßen sie auf Herdplatten. Andre hocken wie angeleimt auf ihren Plätzen. Einige kichern blöde, und der Rotkopf in der dritten Reihe starrt, Gänsehaut im Blick, auf die schwarze Wandtafel, als sähe er in ihr eine sehr düstere Zukunft.
Euch ist bänglich zumute, und man kann nicht sagen, dass euer Instinkt tröge. Eure Stunde X hat geschlagen. Die Familie gibt euch zögernd her und weiht euch dem Staate. Das Leben nach der Uhr beginnt, und es wird erst mit dem Leben selber aufhören. Das aus Ziffern und Paragraphen, Rangordnung und Stundenplan eng und enger sich spinnende Netz umgarnt nun auch euch. Seit ihr hier sitzt, gehört ihr zu einer bestimmten Klasse. Noch dazu zur untersten. Der Klassenkampf und die Jahre der Prüfungen stehen bevor. Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müsst ihr werden! Aufgeweckt wart ihr bis heute, und einwecken wird man euch ab morgen! So, wie man’s mit uns getan hat. Vom Baum des Lebens in die Konservenfabrik der Zivilisation, – das ist der Weg, der vor euch liegt. Kein Wunder, dass eure Verlegenheit größer ist als eure Neugierde.
Hat es den geringsten Sinn, euch auf einen solchen Weg Ratschläge mitzugeben? Ratschläge noch dazu von einem Manne, der, da half kein Sträuben, genau so „nach Büchse“ schmeckt wie andre Leute auch? Lasst es ihn immerhin versuchen, und haltet ihm zugute, dass er nie vergessen hat, noch je vergessen wird, wie eigen ihm zumute war, als er selber zum erstenmal in der Schule saß. In jenem grauen, viel zu groß geratenen Ankersteinbaukasten. Und wie er ihm damals das Herz abdrückte. Damit wären wir schon beim wichtigsten Rat angelangt, den ihr euch einprägen und einhämmern solltet wie den Spruch einer uralten Gedenktafel:
Lasst euch die Kindheit nicht austreiben! Schaut, die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Ihr Leben kommt ihnen vor wie eine Dauerwurst, die sie allmählich aufessen, und was gegessen worden ist, existiert nicht mehr. Man nötigt euch in der Schule eifrig von der Unter- über die Mittel- zur Oberstufe. Wenn ihr schließlich droben steht und balanciert, sägt man die „überflüssig“ gewordenen Stufen hinter euch ab, und nun könnt ihr nicht mehr zurück! Aber müsste man nicht in seinem Leben wie in einem Hause treppauf und treppab gehen können? Was soll die schönste erste Etage ohne den Keller mit den duftenden Obstsorten und ohne das Erdgeschoss mit der knarrenden Haustür und der scheppernden Klingel? Nun – die meisten leben so! Sie stehen auf der obersten Stufe, ohne Treppe und ohne Haus, und machen sich wichtig. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie Erwachsene, aber was sind sie nun? Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch! Wer weiß, ob ihr mich verstanden habt. Die einfachen Dinge sind schwer begreiflich zu machen. Also gut, nehmen wir etwas Schwieriges, womöglich begreift es sich leichter. Zum Beispiel:
Haltet das Katheder weder für einen Thron, noch für eine Kanzel! Der Lehrer sitzt nicht etwa deshalb höher, damit ihr ihn anbetet, sondern damit ihr einander besser sehen könnt. Der Lehrer ist kein Schulwebel und kein lieber Gott. Er weiß nicht alles, und er kann nicht alles wissen. Wenn er trotzdem allwissend tut, so seht es ihm nach, aber glaubt es ihm nicht! Gibt er hingegen zu, dass er nicht alles weiß, dann liebt ihn! Denn dann verdient er eure Liebe. Und da er im übrigen nicht eben viel verdient, wird er sich über eure Zuneigung von Herzen freuen. Und noch eines: Der Lehrer ist kein Zauberkünstler. sondern ein Gärtner. Er kann und wird euch hegen und pflegen. Wachsen müsst ihr selber!
Nehmt auf diejenigen Rücksicht, die auf euch Rücksicht nehmen! Das klingt selbstverständlicher, als es ist. Und zuweilen ist es furchtbar schwer. In meine Klasse ging ein Junge, dessen Vater ein Fischgeschäft hatte. Der arme Kerl, Breuer hieß er, stank so sehr nach Fisch, dass uns anderen schon übel wurde, wenn er um die Ecke bog. Der Fischgeruch hing in seinen Haaren und Kleidern, da half kein Waschen und Bürsten. Alles rückte von ihm weg. Es war nicht seine Schuld. Aber er saß, gehänselt und gemieden, ganz für sich allein, als habe er die Beulenpest. Er schämte sich in Grund und Boden, doch auch das half nichts. Noch heute, fünfundvierzig Jahre danach, wird mir flau, wenn ich den Namen Breuer höre. So schwer ist es manchmal, Rücksicht zu nehmen. Und es gelingt nicht immer. Doch man muss es stets von neuem versuchen.
Seid nicht zu fleißig! Bei diesem Ratschlag müssen die Faulen weghören. Er gilt nur für die Fleißigen, aber für sie ist er sehr wichtig. Das Leben besteht nicht nur aus Schularbeiten. Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln. Ich spreche aus Erfahrung. Ich war als kleiner Junge auf dem besten Wege, ein Ochse zu werden. Dass ich’s, trotz aller Bemühung, nicht geworden bin, wundert mich heute noch. Der Kopf ist nicht der einzige Körperteil. Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Und wer die Lüge glaubt, wird, nachdem er alle Prüfungen mit Hochglanz bestanden hat, nicht sehr schön aussehen. Man muss nämlich auch springen, turnen, tanzen und singen können, sonst ist man, mit seinem Wasserkopf voller Wissen, ein Krüppel und nichts weiter.
Lacht die Dummen nicht aus! Sie sind nicht aus freien Stücken dumm und nicht zu eurem Vergnügen. Und prügelt keinen, der kleiner und schwächer ist als ihr! Wem das ohne nähere Erklärung nicht einleuchtet, mit dem möchte ich nichts zu tun haben. Nur ein wenig warnen will ich ihn. Niemand ist so gescheit oder so stark, dass es nicht noch Gescheitere und Stärkere als ihn gäbe. Er mag sich hüten. Auch er ist, vergleichsweise schwach und ein rechter Dummkopf.
Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern. Sie sind nicht auf dem Berge Sinai entstanden, meistens nicht einmal auf verständige Art und Weise, sondern aus alten Schulbüchern, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind. Man nennt das Tradition. Aber es ist ganz etwas Anderes. Der Krieg zum Beispiel findet heutzutage nicht mehr wie in Lesebuchgedichten statt, nicht mehr mit geschwungener Plempe und nicht mehr mit blitzendem Küraß und wehendem Federbusch wie bei Gravelotte und Mars-la-Tour. In manchen Lesebüchern hat sich das noch nicht herumgesprochen. Glaubt auch den Geschichten nicht, worin der Mensch in einem fort gut ist und der wackre Held vierundzwanzig Stunden am Tage tapfer! Glaubt und lernt das, bitte, nicht, sonst werdet ihr euch, wenn ihr später ins Leben hineintretet, außerordentlich wundern! Und noch eins: Die Zinseszinsrechnung braucht ihr auch nicht mehr zu lernen, obwohl sie noch auf dem Stundenplan steht. Als ich ein kleiner Junge war, mussten wir ausrechnen, wie viel Geld im Jahre 1925 aus einem Taler geworden sein würde, den einer unserer Ahnen 1525, unter der Regierung Johannes des Beständigen, zur Sparkasse gebracht hätte. Es war eine sehr komplizierte Rechnerei. Aber sie lohnte sich. Aus dem Taler, bewies man uns, entstünde durch Zinsen und Zinseszinsen das größte Vermögen der Welt. Doch dann kam die Inflation, und im Jahre 1925 war das größte Vermögen der Welt samt der ganzen Sparkasse keinen Taler mehr wert. Aber die Zinseszinsrechnung lebte in den Rechenbüchern munter weiter. Dann kam die Währungsreform, und mit dem Sparen und der Sparkasse war es wieder Essig. Die Rechenbücher haben es wieder nicht gemerkt. Und so wird es Zeit, dass ihr einen Rotstift nehmt und das Kapitel „Zinseszinsrechnung“ dick durchstreicht. Genauso wie die Attacke auf Gravelotte und der Zeppelin. Und wie noch manches andere.
Da sitzt ihr nun, alphabetisch oder nach der Größe geordnet und wollt nach Hause gehen. Geht heim, liebe Kinder. Wenn ihr etwas nicht verstanden haben solltet, fragt eure Eltern! Und, liebe Eltern, wenn Sie etwas nicht verstanden haben sollten, fragen Sie ihre Kinder!“
Gut oder schlecht. Schwarz oder weiß. Sympathisch oder unsympathisch. Falsch oder richtig. Freundlich oder unfreundlich… Diese Dualität von Konzepten oder Urteilen ist typisch für viele, eher westlich geprägte Sichtweisen.
Aber weder Menschen noch Dinge sind so: Entweder – oder.
Sondern: sowohl – als auch.
Manche meiner Leser wissen das oder lernen es auch früh. Oder haben eine Beobachtungsgabe, die ihnen das vermittelt.
Andere Menschen sind so überzeugt davon, dass Dinge, Situationen oder Menschen nur eines sein können, dass sie zeitlebens an der Wahrheit vorbei gehen – urteilen.
Respektvoll oder frech. Sensibel oder ‚tough‘. Ausschweifend oder prüde. Fleißig oder faul. Witzig oder einfühlsam. Humorvoll oder humorlos.
Es scheint keinen Raum dazwischen zu geben.
Aber in Wahrheit ist das Leben nicht schwarz oder weiß. Nicht 1 oder 0. Und Menschen sind es auch nicht. Mit Freude genau hinschauen und Platz gewinnen für Vielseitigkeit kann neue Sichtweisen und Erkenntnisse zulassen.
Sehr nett aus Überzeugung, nicht naiv: „Holzauge sei wachsam“, heißt ein schöner alter Spruch. Denn auch das kann wichtig sein, weil mancher dennoch nicht so nett ist, wie er scheint.
Weil es eben keine Dualität ist, entweder – oder, sondern: Sowohl – als auch.
„Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.“ So enden Märchen. Das Leben ist kein Happy End. Sondern es geht weiter.
Es heißt „Leben“, weil es Höhen und Tiefen gibt. Manchmal sind es die kleinen Dinge des Alltags, die in Summe zum Zusammenbeißen der Zähne auffordern…
„Herr, gib mir Gelassenheit, hinzunehmen, was ich nicht ändern kann. Mut zu ändern, was ich ändern kann. Und Weisheit, zwischen beidem zu unterscheiden.“
Wenn man das Glück hat, in dauerhaften Beziehungen mit vertrauten Menschen zu leben, die man kennt und die einen gut kennen, ist das vielleicht das Beste, was uns in diesem Leben passieren kann.
Denn wir wissen dann, worauf wir uns verlassen können. Wie wir uns gegenseitig einschätzen können, was wir voneinander erwarten können. Was nicht. Unsere Stärken und unsere Schwächen.
Goethe hat es im Faust, der Szene des Osterspaziergangs, so ausgedrückt:
„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“
Das ist vielleicht die beglückendste Situation, die es gibt: Zu wissen, dass ich mit Stärken und Schwächen angenommen bin.
Aber, heißt es denn, dass wir den ‚Endzustand‘ je erreichen werden? Ich denke nicht. Denn das Ende des menschlichen Lebens ist der Tod. Stillstand. Übergang wohl in einen anderen Zustand. Oder auch in andere Sphären. Wer weiß.
Bis dahin ist das Beste, was uns passieren kann, Vertrautheit und Vertrauen zu erreichen. Denn das verleiht die Sicherheit, im Alltag mehr und mehr Mensch sein zu dürfen.
Paulus hat es so ausgedrückt: „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Am größten aber ist die Liebe.“
Alfons, wenn Sie in der Nähe wären, würde ich Sie umarmen. Danke für viele gute Worte und gute Gedanken aus dem Neokortex.
Anmerkung:
„Alfons Puschelmikro“ ist natürlich ein Künstlername. Er ist deutsch-französischer Kabarettist und wurde unter anderem durch die Reihe „Alfons fragt“ in der ARD-Vorabendsendezeit als Reporter ‚Alfons‘ weithin bekannt.
Eine solch delikate Gratwanderung zwischen Kalauer und Holocaust wird nicht vielen Comedians gelingen. (…) Ein kleines Meisterwerk.
FAZ
‚Alfons – jetzt noch deutscherer‘ ist überraschend ernsthaft, unterhaltsam und klug. Ein Stück, das zeigt, wie unsinnig kleinstaatliches Denken ist und gerade deshalb eigentlich auf die ganz große Bühne gehört.
Süddeutsche Zeitung
Innovation: Ein Motor in Wissenschaft und Forschung, kann nur gedeihen auf Grundlage von Ideen und Kreativität. Austausch ist für Ideen essentiell: Wer sich nicht mit anderen Menschen und auch mit anderen Kulturen austauscht, wird auf Dauer als Kultur selbst untergehen.
Das ist in den Sozialwissenschaften wissenschaftlich belegt.
Migranten unter Druck setzen, in Deutschland? Ernsthaft zu glauben, Menschen, die hierher kommen, seien ein Problem?
Wir sind eine Gesellschaft mit großer Tradition, in Bildung, Kultur und Wissenschaft. Aber auch mit großer Verantwortung. Nicht nur hier aber auch hier sind Gräueltaten gegen Menschen im Namen der „Leitkultur“ verübt worden, in der Zeit des Nationalsozialismus.
Sowas darf sich nicht wiederholen!
Migration, konkret, ist ein Weg, um diese Kultur am Leben zu halten, bildlich gesprochen, aber auch wörtlich.
Für mich klingt es nicht angenehm, eine Rechnung aufzumachen, aber es ist Fakt: Die Geburtenraten sinken seit Jahren!
Für alle, die sich fragen, was es uns ‚kostet‘: Es kostet uns nicht nur humanitäre Werte, das Bewusstsein einer Menschheit, die im weiteren Sinne nur gemeinsam überleben kann, weil wir nur diesen einen Planeten haben; sondern es kostet uns sichere Renten!
Die sogenannte Völkerwanderung zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert hat große Teile des heutigen Europas neu durchmischt und organsiert. Aber ‚Bewegung‘, ‚Wandern‘, hat es zu allen Zeiten der Welt gegeben.
In der Antike war es ein klarer Begriff, dass: „…antiken Zeitgenossen war die Vorstellung wandernder Einheiten zwar bekannt – Einwanderung zählte für sie sogar zu den wichtigsten Impulsgebern für Staatsbildungs- und Vergesellschaftungsprozesse…“ *.
So viele freundliche, kluge, gebildete Menschen sind im Laufe der Zeit nur seit dem zweiten Weltkrieg hierher gekommen! Sie haben ihre Arbeitskraft, ihre Kraft zum Gründen ganzer Firmen und Arbeitsplätze, ihr Lächeln — und ihre Ideen mitgebracht.
Jan van Goyen (1596–1656) Peasant House in the Sand Dunes — Bild lizenziert Wikimedia Commons
„Einen so heißen Sommer, wie nun vor hundert Jahren, hat es seitdem nicht wieder gegeben. Kein Grün fast war zu sehen; zahmes und wildes Getier lag verschmachtet auf den Feldern.
Es war an einem Vormittag. Die Dorfstraßen standen leer; wer nur konnte, war ins Innerste der Häuser geflüchtet; selbst die Dorfkläffer hatten sich verkrochen. Nur der dicke Wiesenbauer stand breitspurig in der Torfahrt seines stattlichen Hauses und rauchte im Schweiße seines Angesichts aus seinem großen Meerschaumkopfe. Dabei schaute er schmunzelnd einem mächtigen Fuder Heu entgegen, das eben von seinen Knechten in die Diele gefahren wurde. – Er hatte vor Jahren eine bedeutende Fläche sumpfigen Wiesenlandes um einen geringen Preis erworben, und die letzten dürren Jahre, welche auf den Feldern seiner Nachbarn das Gras versengten, hatten ihm die Scheuern mit duftendem Heu und den Kasten mit blanken Krontalern gefüllt.
So stand er auch jetzt und rechnete, was bei den immer steigenden Preisen der Überschuß der Ernte für ihn einbringen könne. »Sie kriegen alles nichts«, murmelte er, indem er die Augen mit der Hand beschattete und zwischen den Nachbarsgehöften hindurch in die flimmernde Ferne schaute; »es gibt gar keinen Regen mehr in der Welt.« Dann ging er an den Wagen, der eben abgeladen wurde; er zupfte eine Handvoll Heu heraus, führte es an seine breite Nase und lächelte so verschmitzt, als wenn er aus dem kräftigen Duft noch einige Krontaler mehr herausriechen könne.“
(Quelle: Projekt Gutenberg)
Das ist der Anfang der Geschichte von Theodor Storm. „Ist doch nur eine Geschichte“…?
Geschichten, die aus Sagen und Mythen der Völker entstehen, sind meist Teil der oft zunächst mündlichen Überlieferung. Viele Volksmärchen wurden erst seit Ende des 18. und im 19. Jahrhundert gesammelt und erstmals aufgeschrieben.
Wunderbare Geschichten, die aus dem Leben gegriffen, durch uralte ‚Verformungen‘ der Poetik dramatisch sind und doch den Kern der Wahrheit in sich tragen (können).
Storm hat bildhafte Sprache kunstvoll verwoben:
„Von dem Platze, wo sie sich befanden, auf einem breiten Steindamm, lief eine Allee von alten Weiden in die Ferne hinaus. Sie bedachten sich nicht lange, sondern gingen, als sei ihnen der Weg gewiesen, zwischen den Reihen der Bäume entlang. Wenn sie nach der einen oder andern Seite blickten, so sahen sie in ein ödes, unabsehbares Tiefland, das so von aller Art von Rinnen und Vertiefungen zerrissen war, als bestehe es nur aus einem endlosen Gewirre verlassener See- und Strombetten. Dies schien auch dadurch bestätigt zu werden, daß ein beklemmender Dunst, wie von vertrocknetem Schilf, die Luft erfüllte. Dabei lagerte zwischen den Schatten der einzeln stehenden Bäume eine solche Glut, daß es den beiden Wanderern war, als sähen sie kleine weiße Flammen über den staubigen Weg dahinfliegen. Andrees mußte an die Flocken aus dem Feuerbarte des Kobolds denken. Einmal war es ihm sogar, als sähe er zwei dunkle Augenringe in dem grellen Sonnenschein; dann wieder glaubte er deutlich neben sich das tolle Springen der kleinen Spindelbeine zu hören. Bald war es links, bald rechts an seiner Seite. Wenn er sich aber wandte, vermochte er nichts zu sehen; nur die glutheiße Luft zitterte flirrend und blendend vor seinen Augen. Ja, dachte er, indem er des Mädchens Hand erfaßte und beide mühsam vorwärts schritten, sauer machst du’s uns, aber recht behältst du heute nicht!
Weiter und weiter gingen sie, der eine nur auf das immer schwerere Atmen des andern hörend. Der einförmige Weg schien kein Ende zu nehmen; neben ihnen unaufhörlich die grauen, halb entblätterten Weiden, seitwärts hüben und drüben unter ihnen die unheimlich dunstende Niederung.“
Der ganze Text findet sich gemäß der geltenden Urheberrechtsgesetze auch online, im Projekt Gutenberg: Theodor Storm, Die Regentrude
Storm zählt zu den Großen der deutschen Dichter. Wärmstens empfohlen. Es gibt auch Hörbücher.
Ein neuerer Ausdruck der Medien(un)landschaft ist die „social media bubble“. Das Wort wurde wohl in den USA das erste Mal genutzt. Aber das Prinzip gibt es schon lange: Menschen, die aus Mangel an Bildung und unterschiedlichen Quellen ihrer Information das taten, was man „Stammtischgerede“ nannte:
Einseitig und oft negativ Situationen aus nur einer Perspektive beurteilen, die man auch bewusst nicht wechseln mag, denn das verunsichert.
In vor-digitalen Zeiten, als gedruckte Zeitungen in Umlauf waren, erzielten die sogenannten „Boulevardblätter“ die höchsten Auflagen. Solche, in denen leicht bekleidete Damen oft abgebildet waren. Möglichst in Farbe. Oder das berichtet wurde, was man auch gerne „Räuberpistolen“ nannte: Sensationelle Geschichten von Raub, Mord und Totschlag.
Später wurden sie abgelöst von den Privatsendern der Medienlandschaft; Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten waren auch dort solche, in denen oft blanke Busen mehr oder weniger kunstvoll präsentiert wurden…
Das Stichwort für beides: „Sex and Sensation sells.“ Immer noch.
Wir können uns dennoch glücklich schätzen!
Unsere Demokratie funktioniert. Nicht perfekt. Es gibt Luft nach oben. Sicher ist das so.
Aber sie erlaubt immer noch freie, gleiche und geheime Wahlen. Wir werden durch Gesetze und staatliche Organe geschützt.
Wir dürfen unsere Meinung frei sagen — oder darüber schreiben. Es gibt soziale Absicherung, wenn wir unsere Arbeit verlieren oder krank oder arbeitsunfähig werden.
Es gab Zeiten in diesen Breitengraden, da sind Menschen in Scharen zu öffentlichen Folterungen und Hinrichtungen geströmt… Diese Zeiten sind vorbei.
Aber gerade auch, weil wir eine gute Grundbildung haben. Und weil die aufrecht erhalten werden muss.
Im Zusammenhang mit sozialen Medien ist Medienkompetenz besonders wichtig: Was ist Information? Was sind Worte und Formulierungen? Welche Muster gibt es? Was ist Werbung? Und wie wird manipuliert?
Darum muss in Bildung (auch) investiert werden! Denn wir haben ein an Kulturtradition und Bildung sowie Wissenschaftsgeist reiches Land. Das lohnt sich. Und es wäre ein riesiger Verlust!
Photo Wikimedia Commons, „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“ – Michael Lucan
Schwere Zeiten sind Prüfstein: Ein Mensch von Format wie Olaf Scholz hat sie bestanden. Trotz des massiven ‚Gegenwinds‘ auf vielen Kanälen der etablierten und der sogenannten ’sozialen Medien‘.
Klug, besonnen und tatkräftig, dabei verständnisvoll und weitsichtig hat er beispielsweise für eine Änderung der Perspektive auf Zuwanderung gesorgt.
Dieses Land auch in Krisenzeiten zu führen, mit einer Koalition aus sehr eigenwilligen Fraktionen und deren Vorsitzenden… ist kein Spaziergang und kein Zuckerschlecken.
Mitten in einer Pandemie, einem Krieg, der in Europa wieder die Grenzen des menschlich erträglichen ausreizt – Flucht und Sterben zur Folge hat, Kanzler zu werden, braucht viel Mut.
Vertrauen in die Zukunft und Stabilität eines Landes, das eine schwere und zugleich große Geschichte mit sich trägt. Voller Menschen, die Vielfalt und Meinungsverschiedenheit leben.