„Schnittstelle“: Wenn der Kuchen ein Gerät ist – oder: Berufe und ihre Standpunkte in der Sprache

Zeichnung zweier Menschen, sitzend, mit je einem Kopf und angedeutetem Gehirn um sich gezeichnet, wie eine Hülle.
Image by Gerd Altmann from Pixabay

„Juristendeutsch“ ist vielleicht die bekannteste unter den eigenen ‚Sprachen‘, die jedem sofort deutlich macht: Juristen sind anders, wenn sie sprechen und schreiben.

Das ist auch wichtig: Denn bestimmte Formen und Standards des schriftlichen (und mündlichen) Ausdrucks sind je nach Berufsgruppe entscheidend, um sich verständigen zu können.

Dazu kommt auch, dass oftmals die Professionalität des sprechenden/schreibenden Menschen in seiner Sparte jeweils danach beurteilt wird, ob er sich passend ausdrückt.

Das macht es aber gelegentlich zur Herausforderung, je nach Vorwissen und eigener Sichtweise, bestimmte Dinge genau zu erfassen.

Mein Paradebeispiel ist der Begriff „Schnittstelle“: In der Informatik bezeichnet er diverse Dinge, unter anderem kann das ein Gerät sein, das eine Verbindung herstellt. Eine Software. Oder etwas so scheinbar simples, wie ein bestimmter Kabeltyp.

Ich finde darum auch sehr wichtig, dass wir im Hinterkopf behalten: Menschen sind je nach Berufssparte und Biographie sowohl in Ausdrucksweise als auch ihrer spezifischen Art, zu begreifen, unterschiedlich.

Das hat deshalb so gut wie nichts mit Intelligenz zu tun! Sondern mit dem Unterschied der Sichtweise(n).

Das macht es spannend, ist eine Bereicherung – und braucht manchmal Geduld und Erfahrung, um sich zu verständigen.

Alles blau? oder: ‚Ossis‘, ‚Wessis‘, Medien und Sensationen oder: „Wir lassen uns unsere Vorurteile nicht durch Tatsachen verderben“…

Photo von auf der Berliner Mauer feiernden Menschen, das Brandenburger Tor im Hintergrund.
Feiernde Menschen vor dem Brandenburger Tor, Bild: Goethe-Institut Italien, via Ecosia Suche+Creative Commons Filter (frei verfügbar)

„Wir lassen uns unsere Vorurteile nicht durch Tatsachen verderben“… Mein Vater hat diesen Ausspruch öfter genutzt, als ich klein war. Ich fand ihn damals witzig und eben auch ironisch bissig auf alle jene angewandt, die ihre Vorurteile gerne pflegen, weil sie sich dann besser fühlen (können).

35 Jahre Wiedervereinigung. Das sind für viele Menschen der Bundesländer und Regionen schwere Zeiten gewesen.

Aber es war eben auch ein Ausverkauf dessen, was in der DDR gut war. Politisch war sie leider restriktiv. Manche definieren sie als Diktatur. Es gab politische Gefangene, also Menschen im Gefängnis, die dort aus politischen Gründen waren, weil sie eine andere Meinung lautstark vertraten. Oder auswandern oder auch reisen wollten.

Aber es wurde nach der Wiedervereinigung fast die gesamte Wirtschaft durch westdeutsche Wiedervereinigungsgewinnler, Besserwisser (der berühmte ‚Besserwessi‘) und eben konkrete Ideen dazu, wie Wirtschaft ‚besser geht‘, abgebaut, aufgelöst und platt gemacht.

Millionen Menschen standen über Nacht auf der Straße und waren in ein neues System eingebunden, das anders hart war – und ist:

Ein anderer Spruch dazu lautet:
„Im Kapitalismus habe ich kein  Geld – im Sozialismus gehört es mir nicht.“

Das bringt eine Andersartigkeit auf den Punkt, die auch in Ausführlichkeit dargestellt deutlich macht, dass es Ungleichheit ist, die Menschen der Härte aussetzt.

Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ist besonders markant, dass auch bei diesem Thema Vorurteile genutzt werden, um Ziele zu erreichen:

    • Ein Thema in den Medien zu vermarkten, Stichwort: „Scoop“. Eine Sensation, die ‚Schlagzeilen macht‘, Menschen in Wallung versetzt, verkauft sich gut.
    • Sie selbst besser fühlen, weil man auf andere herabsehen kann.

Das sind die wesentlichen Ecken, aus denen die Vorurteile stammen, die man immer wieder findet.

Ganz besonders politisch ein Problem: Es werden in Bezug auf Wahlen immer wieder Karten gezeigt, die den Osten Deutschlands ‚blau‘ darstellen. Das ist zu einfach, denn es stimmt so nicht.

Es hat in der Geschichte immer wieder ‚Rechtsrucke‘ gegeben, wenn die Zeiten schwer wurden.

Die Rechten haben es leichter: Sie müssen sich nicht um Wahrheit scheren, weil das so leicht keiner von ihnen erwartet. Dass sie oftmals die Unternehmen hinter sich haben, weil sie unternehmerfreundlich sind, ist auch ein offenes Geheimnis.

Das führt dann leicht dazu, dass Otto und Ottilie Normalverbraucher sich nach rechts orientieren, wenn gewählt wird. Aber das ist nicht neu.
Und das ist in ganz Deutschland so, dort mehr da weniger.

Eine sehr gute und kritische Dokumentation zum Thema findet sich in der ARD Mediathek, empfohlen, als Überblick und Rückschau in diesen Tagen.

Es gibt Unterschiede, aber sie auf negative Stereotypen einzudampfen, ist zu schade.
Es geht so viel Schönheit verloren!

Collage aus mehreren Bildern ostdeutscher Schönheiten, 2 Schlösser, ein Seebad auf Rügen und die sächsische Schweiz
Bilder über Ecosia Suche gefiltert, Creative Commons (frei verfügbar), meine Graphik

Von Netzwerken, Bekanntschaften und – der Neugier… oder: „Vitamin B“

Zeichnung der Weltkarte als halber Globus, mit großen und kleinen Punkten die durch halbkreisförmige Linien verbunden sind.
Image by Gerd Altmann from Pixabay

Als ich jung war, hieß es auch „Vitamin B“, Beziehungen. Es bedeutete, dass jemand eine Stelle oder eine Position nicht durch eigene Leistung oder Können erreicht hatte – sondern weil er jemand kannte, der jemanden kannte, der…

Seit einigen Jahren wird es nicht nur ‚Networking‘ genannt: Es hat auch eine neue Konnotation bekommen, eine auch mitgedachte Bedeutung. Es ist jetzt positiv, jemanden zu kennen, der jemanden kennt und der eine Person womöglich weiter empfehlen kann.

Das Rechenexempel dazu lautet: Durch die spezifischen Zusammenhänge ist offenbar herausgefunden worden, dass wir alle mit jeder Person auf diesem Planeten über maximal 5 ‚Knoten‘ oder Netzwerkpunkte, also Kontakte, verknüpft sind. Also auch mit dem Dalai Lama, Barrack Obama – oder dem Papst.

Mein logisches Denkvermögen sträubt sich ein wenig, dieser Gleichung Glauben zu schenken…

Aber eines ist auch gewiss: Ob falsche Berichte über einen Menschen – vielleicht auch solche, die aus dem Kontext gerissen keinen Gehalt an Wahrheit mehr haben – sie können genauso kolportiert werden, wie die wahren Berichte.

Hinzu kommt, dass Menschen sehr unterschiedlich genau sind, wenn sie weitertragen. Dass sie eine sehr oberflächliche Art haben können, zu urteilen. Vorschnell. Bequem. An Stereotypen orientiert.

Das sind aber nur die Unaufmerksamen.
Schlimmer sind all jene, die weitertragen, was für sie selbst vorteilhaft ist. Die über andere ein falsches Bild verbreiten, weil sie im Grunde Sorge haben, es könne heraus kommen, welche … ‚Ungereimtheiten‘ sie sich haben zu schulden kommen lassen.

Und dann sind da noch die Neugierigen: Die jede noch so kleine ‚Sensation‘ heranziehen und dann versuchen, mit mehr oder minder albernen ‚Tests‘ zu ‚erproben‘, ob die Berichte wohl wahr seien.
Das sind übrigens dieselben, die in Kinderzeiten witzig finden, andere zu erschrecken. Je doller, je lieber.

Ich plädiere für Verantwortungsgefühl. Für genaues Hinsehen.

Das kann bedeuten, dass man Selbstachtung lernen muss. Denn Schadenfreude entstammt einem Mangel an Selbstachtung. Im Wesentlichen. Sich besser fühlen, weil es anderen (auch) mal schlecht geht.

Mit anderen Worten: Liebe Deinen Nächsten – wie Dich selbst.

Digitalisierung, Vorbilder…, Wirtschaft und der ROI: ‚Return on Investment‘ oder: Der ’schnöde‘ Gewinn…

Bild eines Globus, in digitales Netz eingehüllt und sanft beleuchtet, darunter eine zur Schale geformten menschliche Hand.
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Wer kann es wirklich? Die USA…? Schweden? Frankreich? Oder doch ’nur‘ Dänemark…?

Digitalisierung in Deutschland wird seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, als ‚hinterher hinkend‘ bemängelt. Dabei kann und sollte man sich auch fragen:
Wer meckert da eigentlich…?
Es gibt nunmal Menschen, die zusätzliche Interessen verfolgen…

Wir neigen in Deutschland oft noch zu sehr dazu, unkritisch Berichte oder Behauptungen anderer Nationen zu übernehmen. Marketing muss man erkennen…
Die Zahlen evtl. nicht bereinigt, aufgrund tatsächlicher Gewinne.
Dabei hohe Verluste durch Unfälle, Cyberkriminalität oder auch hohen Investitionsbedarf bei geringen Garantien auf nachfolgenden Gewinn, die auch ’nur‘ gesparte Zeit betreffen können

Je nach Industrie und Betriebsgröße ist nunmal auch klar, dass Digitalisierung erstmal Geld kostet:
Investition in Geräte, in Software, in Schulungen, in digitale Archivierung – und das alles im ‚laufenden Geschäft‘.

Das stellt gerade Mittelständler vor schier unüberwindliche Herausforderungen.

Denn, und das ist in einem System, wie es nun weltweit ausnahmslos herrscht – man möchte mit Goethes Gretchen aus Faust ausrufen: „Ach, wir Armen…“ – zentral sind Umsatz und Gewinn, wenn man im Markt überleben will. Wer oft hohe Verluste einfahren muss, der tut sich schwer.
Wer weiß, was die Risiken sind, auch.

Zu oft wird mit mehr oder minder scheelem, um nicht zu sagen, neidischem Blick auf die USA und andere Staaten geblickt:

Die Ergebnisse scheinen besser. Die Methoden 1:1 übernehmbar.

Stichwort auch KI und ihr Einsatz: KI, die angemessen und sinnvoll eingesetzt werden soll, muss durch das menschliche Element mindestens kontrolliert werden. Immer.
Hinzu kommt, dass komplexe Lösungen maßgeschneidert sein müssen.

Das kostet: Zeit, Geld – und Energie… KI verbraucht Unmengen an Strom. Schon deshalb ist ihr Einsatz zurecht mindestens fragwürdig, aber sollte wohlüberlegt erfolgen.

Dazu bleibt mir noch dies zu sagen:

    • Ich habe mit einer Amerikanerin einige Zeit zusammen gearbeitet, deren Cousin bei der NASA als ‚intern‘, als Praktikant, beauftragt war, eine Übersicht der Projekte anzufertigen.
      • Die Zahl der angefangenen und aufgegebenen Projekte war beeindruckend hoch… und das sagte eine Amerikanerin. In den Sand gesetzt, Zeit, Energie und Geld…
    • Wir sind in Deutschland traditionell vorsichtig; aus meiner Sicht sollten wir aufhören, das als Manko zu sehen:
      Vorsicht ist ein kostbares Gut.

Im Extremfall hindert uns solche Vorsicht vielleicht daran, Atombomben abzuwerfen…

Rechtspopulismus, Rechtsextreme und die Weltpolitik: NEIN zur falschen Richtung, NEIN zu Menschenverachtung – NEIN zur AfD

Zeichnung der ersten Nationalversammlung 1848 in der Frankfurter Paulskirche
Erste Sitzung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848, der Sprecher ist Robert Blum; farbige Zeichnung von Ludwig von Elliott, 1848, Historisches Museum, Frankfurt a.M., via Wikimedia Commons

Ob Wahlen oder nicht: Menschenverachtung ist keine Lösung. Dumme Parolen der AfD und ähnlicher Gruppierungen waren noch nie hilfreich. Sie dienen nur dazu, Menschen zu polarisieren, die sich durch Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Schwierigkeiten verunsichert fühlen.

Auch das ist ein altbekanntes Muster.

Wir leben in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Darum werden nun Kriegsparolen ausgegeben, die Stimmung angeheizt, damit die Waffenindustrie und damit ein Teil der Wirtschaft angekurbelt werden….?

Es ist auch ein bekanntes Phänomen und Muster der Weltgeschichte, dass etwa Jahrhundert- oder besonders Jahrtausendwechsel dazu verleiten, besonders schwarz zu sehen und Unkenrufe bei jeder ‚Wegbiegung‘ auszustoßen.

Wenn dann noch eine Pandemie auf diesen Wechsel der Zeiten stößt, ist die Krise besonders heftig spürbar und wird in diesen Zeiten medial ausgeschlachtet.

Es gibt allen Anlass zur Hoffnung! Nicht nur für dieses Land; aber auch und gerade in Deutschland gibt es eine große Tradition von Bildung, Wissenschaft, Kunst und Innovation. Beruhend auf guter Erziehung und Bildung unserer Kinder.

Auf Aufklärung der Philosophen, die unsere Gesellschaft durchdrungen hat: Wissenschaft als Teil der vernunftgeleiteten, nachprüfbaren und messbaren Versuchsaufbauten und -ergebnisse.

Nutzen wir unsere Herzen und unseren Verstand! Lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen von Sprüchemachern – oder verführen von Rechtspopulisten, die immer die gleiche Menschenverachtung predigen.

JA zu Demokratie, zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit = Mit-Menschlichkeit.

Konfuzius und der edle Mensch

Statue eines in wallende Gewänder gekleideten Herrn, Konfuzius darstellend.
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„Neun Dinge sind es, auf die der Edle sorgsam achtet: Beim Sehen achtet er auf Klarheit, beim Hören auf Deutlichkeit, in seiner Miene auf Freundlichkeit, im Benehmen achtet er auf Höflichkeit, im Reden auf Ehrlichkeit, im Handeln auf Gewissenhaftigkeit. Wenn ihm Zweifel kommen, fragt er andere. Ist er im Zorn, bedenkt er die Folgen. Angesichts eines persönlichen Vorteils fragt er sich, ob er auch ein Anrecht darauf hat.“

(Konfuzius, 551 v. Chr.-479 v. Chr., China)

Konfuzius, latinisiert aus Kong Fuzi (chinesisch 孔夫子, Pinyin Kǒng Fūzǐ, W.-G. K’ung-fu-tzu – „Lehrmeister Kǒng“) war ein chinesischer Philosoph zur Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie. Er lebte vermutlich von 551 v. Chr. bis 479 v. Chr. und wurde unter dem Namen Kong Qiu (孔丘, Kǒng Qiū, K’ung Ch’iu) in der Stadt Qufu im chinesischen Staat Lu (der heutigen Provinz Shandong) geboren, wo er auch starb.

Das zentrale Thema seiner Lehren war die menschliche Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei. Als Ideal galt Konfuzius der „Edle“ (jūnzĭ, 君子), ein moralisch guter Mensch. Edel kann der Mensch dann sein, wenn er sich in Harmonie mit dem Weltganzen befindet: „Den Angelpunkt zu finden, der unser sittliches Wesen mit der allumfassenden Ordnung, der zentralen Harmonie vereint“, sah Konfuzius als das höchste menschliche Ziel an. „Harmonie und Mitte, Gleichmut und Ausgeglichenheit“ galten ihm als erstrebenswert. Den Weg hierzu sah Konfuzius vor allem in der Bildung.
(Quelle: Wikipedia)

Asyl als Frage? – Umsetzung und Alltag: Begegnung und Fingerspitzengefühl

Zeichnung zweier hübsch bunt gefärbter Vögel in verschiedenen Farben, die sich auf einem Ast freundlich blickend treffen
Image by Rosy / Bad Homburg / Germany from Pixabay

„Der Himmel ist überall blau.“ – „Die Sonne bescheint Gerechte und Ungerechte.“ Das sind zwei Sprüche, die es sehr schön auf den Punkt bringen: Menschen sind überall durchmischt, ihre Güte oder auch ihre Sichtweise betreffend. Ob Deutsche, Italiener, Griechen, Türken oder Franzosen, Engländer, Amerikaner oder Kenianer; Inder, Chinesen, Brasilianer oder Perser.

Es gibt Menschen, denen andere wichtig sind. Denen Gemeinschaft wichtig ist, und Rücksichtnahme. Die sich fragen, woran es liegt, ob das Leben trotz mancher Schwernisse schön sein kann. Oder wie man schwere Zeiten gemeinsam durchsteht.

Menschen, die zu uns kommen, sind immer ein Gewinn! Sie bringen neue Ideen mit, sie gründen Firmen, sie schaffen Arbeitsplätze, lassen uns an jahrtausendealten Traditionen teilhaben.

Sie sorgen dafür, dass unsere Renten noch sicher sein können…

Dadurch, dass es überall gute und nicht gute Menschen gibt, ist es klar, dass Menschen aus anderen Regionen der Welt menschliche Durchmischung zeigen.

Wenn es Probleme mit der Integration gibt, dann in den letzten Jahren auch deshalb, weil zu wenig Feingefühl gezeigt wurde, wie man Menschen unterbringt. Man kann schlicht nicht urplötzlich in eine sonst traditionell kleine, geschlossene Gemeinschaft eine große Gruppe von Zuwanderern bringen, weil ein größeres Gebäude gerade leer steht…

Es gehört mehr dazu, denn, wie hat es der kluge Kabarettist „Alfons Puschelmikro“ so schön ausgedrückt: „Menschen sind keine Klappstühle.“

Integration bedeutet auch, Berührungsängste durch Begegnung abzubauen. Sich um mehr zu kümmern, als ’nur‘ das leibliche Wohl. Auch wenn das wichtig ist!

Wer monate- oder jahrelang in feuchten, überfüllten Zeltlagern wohnen musste, weiß, was es bedeutet: Wieder trocken, warm und sauber und ausreichend ernährt leben zu können.

Flüchtlinge kommen aus schweren Umständen zu uns: Sie haben Krieg und Folter erleben müssen. Hunger, den Verlust alles persönlichen Hab und Guts. Die Photos auf dem Kaminsims, das Erbstück von der Großmutter.

Oder schlimmer noch: Tod und Verschleppung geliebter Menschen.

Es geht darum, mit Menschlichkeit und Umsicht einmal gegebene Versprechen einzulösen.

Und uns unserer Verantwortung als Mitmenschen (wieder) bewusst zu werden: Nicht aus Schuldgefühl, sondern aus Würde und Überzeugung.

Schulen, eine Pandemie und Bildung in schweren Zeiten: Jetzt Mut – und Stehvermögen

Bild eines Apfels und einer Birne nebeneinander liegend
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PISA ist zu weit gegriffen. Sie versucht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Weltweit. Über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg. Vergleiche innerhalb Deutschlands sind da schon vielversprechender. Aber es ist immer auch wichtig, das Ganze zu sehen:
Eine Pandemie, die uns alle und Lehrer und Schüler, fast 5 Jahre hindurch eingeschränkt hat; während Angst und Schrecken verbreitet wurden. Schulen geschlossen – und für viele erstmals ‚Fernunterricht‘ an digitalen Geräten stattfand:
Das steckt keine Kultur so einfach weg.

Im Laufe eines bewegten Lebens unter internationalen Forschern an einer Exzellenzuniversität, an vielen Instituten naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen tätig, zur Finanzierung meines eigenen Studiums, weiß ich aber auch:
Wir stehen trotz allem sehr gut da!
Gerade, weil wir gründlich sind, genau – und nicht zuerst auf Repräsentation und den schönen Schein konzentriert.

Sondern auf die Wahrheit, die echten Zahlen. Das kann auch schmerzhaft sein.

Aber, wenn die echten Probleme erkannt wurden, braucht es Investitionen, die auf dem Weg sein sollten – und Mut und Stehvermögen. Die Kraft, dran zu bleiben und mit Freude und positiven Bildern in die Zukunft zu schauen:

Dran bleiben – Pausen nicht vergessen!

Zwei Kinder vor einem Laptop, die sich sehr freuen, auf den Bildschirm schauend; Bildschirm ist vom Betrachter weggedreht
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„Der Lehrer weiß nicht alles“ – Erich Kästner zum Schulbeginn – „Keine Angst vor großen Tieren“…

(Text gesprochen von Erich Kästner selbst)

Kleine Kinder – Erwachsene – Menschen: Lehrer, Anwälte und Ärzte sind ein wenig ähnlich in ihrer Wirkung, das ist tatsächlich untersucht: Das Urteil eines Arztes, einer Lehrerin oder eines Lehrers kann schwer wiegen.
Je nach Hintergrund, mit dem wir aufwachsen. Das ist Kästners Grundidee, hier: Zu zeigen, Schule ist ein wichtiger Teil unseres Lebens – aber wir können Glück haben und Lehrer und Lehrerinnen erleben, die uns inspirieren, Mut  machen – und erfüllt zurück lassen. Statt ’nur gefüllt‘.

Nach François Rabelais:

Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein
Feuer, das entfacht werden will.

Erich Kästner: Geliebt und bewundert, seit ich das erste mal eines seiner Bücher las, den „Emil…“
Erich Kästner ist nicht nur einer der meistgelesenen Kinder- und Jugendbuchautoren, preisgekrönt, seine Kinder- und Jugendbücher wurden und werden auch zum Deutschunterricht im Ausland genutzt.

So wunderbar vergnügliche Bücher, wie „Emil und die Detektive“, „Das doppelte Lottchen“, „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Der kleine Mann“ sind von ihm.

Sowohl Satire als auch heitere Romane für Erwachsene schienen eine Naturbegabung.

Diese kleine Ansprache an Schulanfänger enthält eines meiner Lieblingszitate:

„Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab
wie einen alten Hut. […] Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“

Photographie von Erich Kästner, um 1930
Erich Kästner, ca. 1930, Photo Grete Kolliner, Public domain, via Wikimedia Commons

Text, zitiert nach Ansprache zum Schulbeginn

Liebe Kinder,

da sitzt ihr nun, alphabetisch oder nach der Größe sortiert, zum erstenmal auf diesen harten Bänken, und hoffentlich liegt es nur an der Jahreszeit, wenn ihr mich an braune und blonde, zum Dörren aufgefädelte Steinpilze erinnert. Statt an Glückspilze, wie sich’s eigentlich gehörte. Manche von euch rutschen unruhig hin und her, als säßen sie auf Herdplatten. Andre hocken wie angeleimt auf ihren Plätzen. Einige kichern blöde, und der Rotkopf in der dritten Reihe starrt, Gänsehaut im Blick, auf die schwarze Wandtafel, als sähe er in ihr eine sehr düstere Zukunft.

Euch ist bänglich zumute, und man kann nicht sagen, dass euer Instinkt tröge. Eure Stunde X hat geschlagen. Die Familie gibt euch zögernd her und weiht euch dem Staate. Das Leben nach der Uhr beginnt, und es wird erst mit dem Leben selber aufhören. Das aus Ziffern und Paragraphen, Rangordnung und Stundenplan eng und enger sich spinnende Netz umgarnt nun auch euch. Seit ihr hier sitzt, gehört ihr zu einer bestimmten Klasse. Noch dazu zur untersten. Der Klassenkampf und die Jahre der Prüfungen stehen bevor. Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müsst ihr werden! Aufgeweckt wart ihr bis heute, und einwecken wird man euch ab morgen! So, wie man’s mit uns getan hat. Vom Baum des Lebens in die Konservenfabrik der Zivilisation, – das ist der Weg, der vor euch liegt. Kein Wunder, dass eure Verlegenheit größer ist als eure Neugierde.

Hat es den geringsten Sinn, euch auf einen solchen Weg Ratschläge mitzugeben? Ratschläge noch dazu von einem Manne, der, da half kein Sträuben, genau so „nach Büchse“ schmeckt wie andre Leute auch? Lasst es ihn immerhin versuchen, und haltet ihm zugute, dass er nie vergessen hat, noch je vergessen wird, wie eigen ihm zumute war, als er selber zum erstenmal in der Schule saß. In jenem grauen, viel zu groß geratenen Ankersteinbaukasten. Und wie er ihm damals das Herz abdrückte. Damit wären wir schon beim wichtigsten Rat angelangt, den ihr euch einprägen und einhämmern solltet wie den Spruch einer uralten Gedenktafel:

Lasst euch die Kindheit nicht austreiben! Schaut, die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Ihr Leben kommt ihnen vor wie eine Dauerwurst, die sie allmählich aufessen, und was gegessen worden ist, existiert nicht mehr. Man nötigt euch in der Schule eifrig von der Unter- über die Mittel- zur Oberstufe. Wenn ihr schließlich droben steht und balanciert, sägt man die „überflüssig“ gewordenen Stufen hinter euch ab, und nun könnt ihr nicht mehr zurück! Aber müsste man nicht in seinem Leben wie in einem Hause treppauf und treppab gehen können? Was soll die schönste erste Etage ohne den Keller mit den duftenden Obstsorten und ohne das Erdgeschoss mit der knarrenden Haustür und der scheppernden Klingel? Nun – die meisten leben so! Sie stehen auf der obersten Stufe, ohne Treppe und ohne Haus, und machen sich wichtig. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie Erwachsene, aber was sind sie nun? Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch! Wer weiß, ob ihr mich verstanden habt. Die einfachen Dinge sind schwer begreiflich zu machen. Also gut, nehmen wir etwas Schwieriges, womöglich begreift es sich leichter. Zum Beispiel:

Haltet das Katheder weder für einen Thron, noch für eine Kanzel! Der Lehrer sitzt nicht etwa deshalb höher, damit ihr ihn anbetet, sondern damit ihr einander besser sehen könnt. Der Lehrer ist kein Schulwebel und kein lieber Gott. Er weiß nicht alles, und er kann nicht alles wissen. Wenn er trotzdem allwissend tut, so seht es ihm nach, aber glaubt es ihm nicht! Gibt er hingegen zu, dass er nicht alles weiß, dann liebt ihn! Denn dann verdient er eure Liebe. Und da er im übrigen nicht eben viel verdient, wird er sich über eure Zuneigung von Herzen freuen. Und noch eines: Der Lehrer ist kein Zauberkünstler. sondern ein Gärtner. Er kann und wird euch hegen und pflegen. Wachsen müsst ihr selber!

Nehmt auf diejenigen Rücksicht, die auf euch Rücksicht nehmen! Das klingt selbstverständlicher, als es ist. Und zuweilen ist es furchtbar schwer. In meine Klasse ging ein Junge, dessen Vater ein Fischgeschäft hatte. Der arme Kerl, Breuer hieß er, stank so sehr nach Fisch, dass uns anderen schon übel wurde, wenn er um die Ecke bog. Der Fischgeruch hing in seinen Haaren und Kleidern, da half kein Waschen und Bürsten. Alles rückte von ihm weg. Es war nicht seine Schuld. Aber er saß, gehänselt und gemieden, ganz für sich allein, als habe er die Beulenpest. Er schämte sich in Grund und Boden, doch auch das half nichts. Noch heute, fünfundvierzig Jahre danach, wird mir flau, wenn ich den Namen Breuer höre. So schwer ist es manchmal, Rücksicht zu nehmen. Und es gelingt nicht immer. Doch man muss es stets von neuem versuchen.

Seid nicht zu fleißig! Bei diesem Ratschlag müssen die Faulen weghören. Er gilt nur für die Fleißigen, aber für sie ist er sehr wichtig. Das Leben besteht nicht nur aus Schularbeiten. Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln. Ich spreche aus Erfahrung. Ich war als kleiner Junge auf dem besten Wege, ein Ochse zu werden. Dass ich’s, trotz aller Bemühung, nicht geworden bin, wundert mich heute noch. Der Kopf ist nicht der einzige Körperteil. Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Und wer die Lüge glaubt, wird, nachdem er alle Prüfungen mit Hochglanz bestanden hat, nicht sehr schön aussehen. Man muss nämlich auch springen, turnen, tanzen und singen können, sonst ist man, mit seinem Wasserkopf voller Wissen, ein Krüppel und nichts weiter.

Lacht die Dummen nicht aus! Sie sind nicht aus freien Stücken dumm und nicht zu eurem Vergnügen. Und prügelt keinen, der kleiner und schwächer ist als ihr! Wem das ohne nähere Erklärung nicht einleuchtet, mit dem möchte ich nichts zu tun haben. Nur ein wenig warnen will ich ihn. Niemand ist so gescheit oder so stark, dass es nicht noch Gescheitere und Stärkere als ihn gäbe. Er mag sich hüten. Auch er ist, vergleichsweise schwach und ein rechter Dummkopf.

Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern. Sie sind nicht auf dem Berge Sinai entstanden, meistens nicht einmal auf verständige Art und Weise, sondern aus alten Schulbüchern, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind. Man nennt das Tradition. Aber es ist ganz etwas Anderes. Der Krieg zum Beispiel findet heutzutage nicht mehr wie in Lesebuchgedichten statt, nicht mehr mit geschwungener Plempe und nicht mehr mit blitzendem Küraß und wehendem Federbusch wie bei Gravelotte und Mars-la-Tour. In manchen Lesebüchern hat sich das noch nicht herumgesprochen. Glaubt auch den Geschichten nicht, worin der Mensch in einem fort gut ist und der wackre Held vierundzwanzig Stunden am Tage tapfer! Glaubt und lernt das, bitte, nicht, sonst werdet ihr euch, wenn ihr später ins Leben hineintretet, außerordentlich wundern! Und noch eins: Die Zinseszinsrechnung braucht ihr auch nicht mehr zu lernen, obwohl sie noch auf dem Stundenplan steht. Als ich ein kleiner Junge war, mussten wir ausrechnen, wie viel Geld im Jahre 1925 aus einem Taler geworden sein würde, den einer unserer Ahnen 1525, unter der Regierung Johannes des Beständigen, zur Sparkasse gebracht hätte. Es war eine sehr komplizierte Rechnerei. Aber sie lohnte sich. Aus dem Taler, bewies man uns, entstünde durch Zinsen und Zinseszinsen das größte Vermögen der Welt. Doch dann kam die Inflation, und im Jahre 1925 war das größte Vermögen der Welt samt der ganzen Sparkasse keinen Taler mehr wert. Aber die Zinseszinsrechnung lebte in den Rechenbüchern munter weiter. Dann kam die Währungsreform, und mit dem Sparen und der Sparkasse war es wieder Essig. Die Rechenbücher haben es wieder nicht gemerkt. Und so wird es Zeit, dass ihr einen Rotstift nehmt und das Kapitel „Zinseszinsrechnung“ dick durchstreicht. Genauso wie die Attacke auf Gravelotte und der Zeppelin. Und wie noch manches andere.

Da sitzt ihr nun, alphabetisch oder nach der Größe geordnet und wollt nach Hause gehen. Geht heim, liebe Kinder. Wenn ihr etwas nicht verstanden haben solltet, fragt eure Eltern! Und, liebe Eltern, wenn Sie etwas nicht verstanden haben sollten, fragen Sie ihre Kinder!“

Entweder oder? – Sowohl als auch!

Bild vieler kleiner Muster, Emojis und Scherenschnittfiguren von Situationen, die traurig, fröhlich und andere ausdrücken.
Image by John Hain from Pixabay

Gut oder schlecht. Schwarz oder weiß. Sympathisch oder unsympathisch. Falsch oder richtig. Freundlich oder unfreundlich… Diese Dualität von Konzepten oder Urteilen ist typisch für viele, eher westlich geprägte Sichtweisen.
Aber weder Menschen noch Dinge sind so: Entweder – oder.
Sondern: sowohl – als auch.

Manche meiner Leser wissen das oder lernen es auch früh. Oder haben eine Beobachtungsgabe, die ihnen das vermittelt.
Andere Menschen sind so überzeugt davon, dass Dinge, Situationen oder Menschen nur eines sein können, dass sie zeitlebens an der Wahrheit vorbei gehen – urteilen.

Respektvoll oder frech. Sensibel oder ‚tough‘. Ausschweifend oder prüde. Fleißig oder faul. Witzig oder einfühlsam. Humorvoll oder humorlos.

Es scheint keinen Raum dazwischen zu geben.

Aber in Wahrheit ist das Leben nicht schwarz oder weiß. Nicht 1 oder 0. Und Menschen sind es auch nicht. Mit Freude genau hinschauen und Platz gewinnen für Vielseitigkeit kann neue Sichtweisen und Erkenntnisse zulassen.

Sehr nett aus Überzeugung, nicht naiv: „Holzauge sei wachsam“, heißt ein schöner alter Spruch. Denn auch das kann wichtig sein, weil mancher dennoch nicht so nett ist, wie er scheint.

Weil es eben keine Dualität ist, entweder – oder, sondern: Sowohl – als auch.